DDR-Zeitzeuge spricht in Paraguay über Demokratie und Diktatur

Erstmals ist Holger Timmreck in Paraguay und auch in den paraguayischen Chaco gekommen. In Filadelfia sprach Holger Timmreck gestern zu Schülern und Erwachsenen – in der Schule Colegio Filadelfia und auf einem Geschichtsabend der Kulturabteilung Fernheim. Das Thema: „Ja zur Demokratie und Nein zur Diktatur. Freiheit – mehr als ein Wort“. Holger Timmreck erzählte Deutsche Geschichte und parallel dazu seine eigene persönliche, wie sie in dem Kontext des geteilten und wiedervereinten Deutschlands stattgefunden hat. Der Umriss deutscher Geschichte begann bei der Niederlage von Hitler-Deutschland 1945, führte über die Gründung der Bundesrepublik Deutschland, die Teilung und den Bau der innerdeutschen Mauer, den kalten Krieg, den Zerfall der DDR und dem Fall der Berliner Mauer, zur Wiedervereinigung von Deutschland und der Aufarbeitung der Schicksale unter dem kommunistischen Regime.

Foto: Sigrid Eitzen

Timmreck selbst wuchs in Ostdeutschland, der ehemaligen DDR, bei Dresden auf. Er erzählte von einer glücklichen Kindheit auf dem Bauernhof. Er wuchs in einem regimekritischen Elternhaus auf, was bedeutete, dass man West-Radio hörte und sein Vater, der nicht an das herrschende System glaubte, verhaftet wurde. Nach dem Militärdienst und einer Verwehrung zum Studium entschloss sich der damals 21-jährige Holger Timmreck zur Flucht. Nachdem der Fluchtversuch 1980 scheiterte, kam er in Haft. Seinen Zuhörern schilderte er gestern Abend die Zeit im Zuchthaus Brandenburg. Im Strafvollzug erlebte der junge Gefangene Freiheit, indem er zum ersten Mal laut sagen dufte, was er dachte. 1982 gelangte er in die Bundesrepublik Deutschland, im Rahmen des Häftlingsfreikaufs, – eine Initiative der Evangelischen Kirche Deutschlands. Damals hat die Bundesrepublik für 3,4 Milliarden D-Mark 37.000 Häftlinge freigekauft, die wegen Fluchtversuchs eingesperrt worden waren.

Der Westen bedeutete nicht nur Freiheit, sondern nach einer grauen, eine bunte Welt voller Farben. Hier wurde der Traum vom Studieren wahr, er gründete eine Familie und wurde Sportjournalist für das Privatfernsehen. Doch der kalte Krieg ließ kein Rückticket in die Heimat zu. Wiedersehen mit der Familie gab es einmal im Jahr, an Weihnachten in der Tschechei. Am 9. November 1989, als die Mauer fiel, war Timmreck wie Millionen andere vor dem Fernseher. Timmreck betonte gestern Abend: „Als junger Mensch wollte man nicht eingemauert sein.“ Im Zuge der Wiedervereinigung von Deutschland ab dem 3. Oktober gab es auch privat die Wiedervereinigung der Familie Timmreck, es folgten die Rehabilitierung und die Einsicht in die Stasi-Akten, die aneinandergereiht eine Länge von 111 Kilometer ergeben. Die lassen erkennen,  dass damals 80 Prozent der Fluchtwilligen DDR-Bürger vor der Flucht verraten worden waren. Der Mann, der auf beiden Seiten der Mauer gelebt hat, stellte gestern fest: „Je besser wir Diktatur verstehen, desto besser können wir Demokratie begreifen.“ Als er uns gestern auch hier im Studio besuchte, beantwortete er uns Fragen, die wir ihm zu diesen beiden Themen stellten. Und zur Freiheit:

Seit 2011 lebt Holger Timmreck in Südamerika, war Lehrer an der Deutschen Schule Lima in Peru, und bringt seit 2019 als DDR-Zeitzeuge Vorträge in den verschiedensten Ländern – in diesen Tagen in Paraguay und im zentralen Chaco.